16. Juni 2014
10. Tag – 9. Etappe
Portomarin > Palas de Rei – 25,9km
Wir
sind heute Morgen pünktlich gestartet und wirklich gut voran gekommen. Man muss
jetzt ja schon ein wenig vorrausschauend die Strecken legen, da wir dem Ziel ja
immer näher kommen. So ist es heute bis Palas de Rei gegangen und morgen wollen
wir bis Ribadiso. Dann sind es keine 50km mehr bis nach Santiago. Wir planen
dafür aber trotzdem drei Tage ein, da wir auf dem Monte de Gozo, also rund 5km
vor Santiago, nochmal übernachten wollen, um unsere Pilgerreise mit einer
Kurzetappe abzuschließen.
Als
wir die Stadt gegen Acht verließen, lag diese im dichten Nebel, so das wir
nicht mal die Kirchturmspitze sehen konnten. Gut gelaunt kamen wir recht zügig
voran.
Die
Zahl der Pilger hat seit Sarria stark zu genommen. Man ist nicht mehr allein
unterwegs und der Abstand zwischen den Pilgergruppen beträgt manchmal nur
hundert Meter. An manchen Stellen hätte man heute fast eine Polonaise machen
können, so schlängelte sich der Pilgerstrom. Ständig wird man von leichtfüßigen
Wochenendpilgern überholt. Wochenendpilger sind die, die direkt in Sarria
starten und nur mit minimalem Gepäck die letzten 100 Kilometer laufen. So ist
die Strecke dann an einem verlängerten Wochenende locker zu schaffen. In
Santiago ankommend gilt der Weg als gepilgert, wenn man die letzten 100 km
gelaufen ist. Und genau das machen diese Buspilger. Die gesteigerte Form des
Wochenendpilgers ist der Buspilger. Diese Exemplare sind oftmals Einheimische,
die mit Bussen an ihren Startort gefahren werden und dann nach 30km wieder
eingesammelt werden und nach Hause fahren. Sie starten Freitag früh und sind
Sonntagabend in Santiago. Dazu möchte ich erwähnen, dass es in Spanien in
einigen sozialen Berufen eine Einstellungsvoraussetzung ist, die Compostela zu
besitzen. Ob man dadurch gesteigerte soziale Kompetenz beweist, wage ich aber
zu bezweifeln. Denn, es gibt noch die dritte Spezies, den Berufspilger. Dieser
läuft den Weg unter falschem Namen und somit für jemand anders. Man trifft sich
dann in Santiago, der Kunde nimmt „seinen“ Pilgerpass in Empfang und der
Berufspilger lässt sich seine Reise bezahlen. Das alles muss aber jeder für
sich entscheiden. Wir sind ja für viele auch nur Medium-Pilger, da wir nur
knapp die Hälfte des Camino Frances laufen. Aber auch hier muss jeder nach
seinen Möglichkeiten entscheiden und bei uns ist es einfach die Zeit die fehlt,
um den ganzen Weg zu gehen. Um jedoch die Erfahrung des Pilgerns zu machen,
kann ich schon jetzt sagen, dass es gereicht hat, denn ein Teil des
>Warum< ist schon beantwortet.
Irgendwann
hatte ich dann heute mal wieder ein Gruppe Buspilger vor mir. Mittendrin eine
laut erzählende junge Spanierin, deren Gepäck aus einer kleinen Handtasche
bestand und die während des Erzählens ständig ihre Haare mit einer großen
Bürste kämmte. Ich sammelte ein paar Minuten die Kraftreserven zusammen und
setze dann so schnell wie möglich zum überholen an. Der „Spirit of Camino“ ist
verloren, denn hier geht es nur noch ums ankommen.
Wie
gesagt, wir sind sehr gut voran gekommen. Die Landschaft war heute wieder wie
im Harz. Es ging ständig ein wenig Auf und Ab. Und wenn es unterwegs mal ruhig
wurde, holte Fabian die Luftgitarre raus und gab ein Konzert.
Unterwegs
sind wir trotzdem an vielen schönen Orten vorbeigekommen. Unter anderem war da
heute eine kleine Kapelle, in der ein blinder Pfarrer hinter einem kleinen
Altar stand und die Pilgerpässe abstempelte. Wenn man dran war, breitete man
seinen Pilgerpass aus und führte seine Hand, in der er den Stempel hielt an die
Richtige Stelle. Nach einer kurzen Aufforderung stempelte er den Pass dann ab.
Als
wir durch Melide kamen, kamen wir an der „Pulperia a Grancha“ vorbei, die
direkt am Pilgerweg liegt. An einem Schaufenster präsentiert der Wirt stolz
seinen Pulpo. Er gehört auch zu den meistfotografierten Personen in Melide.
Kurz
hinter Melide haben wir ein amerikanisches Pärchen überholt. Sie ist blind und
wollte aber trotzdem unbedingt diesen Pilgerweg gehen. Und da es Ihr größter
Wunsch war, begleitet er Sie nun und führt sie seit St. Jean, also seit rund
700 Kilometern, den Jakobsweg entlang. Ich wünsche den Beiden einen guten Weg.
Es
ist jetzt 15:00 Uhr und wir sind vor einer Stunde in der Herberge in Palas de
Rei angekommen. Sie ist sehr geräumig und die Zimmer haben eine übersichtliche
Größe. Frisch geduscht sitze ich mit Fabian und Tilo am Tisch und schreibe.
Unser Zimmer hat 10 Betten und drei eigene Duschen. Mit drin im Zimmer sind die
beiden Österreicher vom Vortag und die Spanierin, die wir gemeinsam mit dem
Japaner und der Mexikanerin am See kennengelernt hatten, und Ihre Freundinnen.
Dazu kam noch ein junger Spanier und wir vier. Auch den Japaner vom Vortag habe
ich vorhin unten in der Herberge gesehen. Man trifft sich also immer wieder.
In
der Küche der Herberge ist ein gruppe Asiaten am kochen. Es ist mir schon ein
paar Mal aufgefallen, dass viele Asiaten direkt nach Ihrer Ankunft ein Huhn am
Start haben und dieses in einem großen Topf kochen.
Es
ist kurz vor fünf. Wir waren vorhin noch in einer kleinen Kirche, in der es
herrlich kühl war und es wunderbar nach Weihrauch roch, da gerade ein
Gottesdienst zu Ende gegangen war. Zu viert sitzen wir jetzt in einer Kneipe und
gucken Fußball. Wieder sehe ich viele bekannte Gesichter und unter anderem auch
unsere drei Freunde aus Giessen, die wir in Sarria kennengelernt haben. Gerade
habe ich mit der Heimat telefoniert. Das tat sehr gut. Ich habe Hunger, aber
hier in der Kneipe gibt es nur Krams auf den ich keine Lust habe. Also
durchhalten, denn nach dem Spiel wollen wir irgendwo was essen gehen. Es ist
schon irgendwie faszinierend, dass wir jetzt hier zu viert sitzen. Die Beiden waren
die ersten Pilger, die ich richtig wahrgenommen habe. Das war in der Herberge
von Astorga.
Zusatz
an Dani: Du würdest jeden Tag aufs Neue durchdrehen, denn egal wo du hinkommst,
irgendwo sitzt ein Pilger und puhlt an seinen Füßen.
Ich
war gerade unten eine rauchen, als sich dort ein paar Studis ein Tütchen
rumreichten. Auch eine Art der Entspannung. Irgendwie habe ich heute nicht viel
geschrieben.
Wir
verbringen jetzt jede freie Minute zu viert, da wir wissen, dass sich unsere
Wege in ein paar Tagen wohl für immer trennen werden. Manchmal ist es schade,
wenn frisch geschlossene Freundschaften dann zwar nicht enden, aber man sich
vielleicht nicht wieder sehen wird. Das war mit Regina und Daniel so und wird dann wohl mit Alexis und Fabian auch so sein.
Jetzt
geht es ab in die Falle, denn wir wollen morgen so früh wie möglich los, da es
ein sehr heißer Tag werden soll.
Fazit
des Tages: „Der Weg ist voll und der „Spirit“ ist ein wenig verloren.“
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